"Ich habe in Syrien gelebt, aber ich denke, jetzt habe ich ein neues Leben, einen neuen Anfang." (Mohmmed Ibsh)

Mohmmed Ibsh macht eine Ausbildung zum Verfahrenstechnologen Richtung Stahlumformung in der ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH in Riesa. Er wird begleitet durch die Arbeitsmarktmentor*innen der Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft gGmbH im Landkreis Meißen.

Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Ich bin Mohmmed Ibsh und komme aus Syrien. Ich bin jetzt 26 Jahre alt. Seit drei Jahren bin ich in Deutschland und mache seit sieben Monaten meine Ausbildung bei Feralpi. Meinen B2 Sprachkurs habe ich schon beendet, jetzt mache ich noch einen Kurs bei Feralpi, einen Deutschkurs.

Wie haben Sie den Weg zu den Arbeitsmarktmentor*innen für Geflüchtete gefunden?

Ich war zuerst im Jobcenter und habe meinem Fallmanager gesagt, dass ich eine Ausbildung suche. Er hat mir gesagt, dass ich zu den Arbeitsmarktmentoren gehen kann, sie können mir helfen. Dann habe ich mich dort angemeldet und wir haben zusammen eine Bewerbung geschrieben.

Die Mentoren haben mir auch geholfen, eine Wohnung zu finden. Ich habe vorher in Meißen gewohnt und bin jeden Tag zwei bis drei Stunden mit dem Bus gefahren. Jetzt bin ich in Riesa und brauche zehn Minuten zu Fuß.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Meine Kollegen sind nett, nur die Berufsschule ist etwas schwer für mich. Ich versuche es, aber ich finde Praxis besser als Schule. Bei Feralpi ist es besser, es ist praktisch, ich kann direkt fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Aber in der Schule geht das nicht so, weil der Lehrer für 40 Minuten unterrichten muss und dann geht er. Aber hier kann ich, wenn ich etwas nicht verstehe, auch nach zwei oder drei Tagen nochmal fragen.

Ich habe auch schon den Lehrern gesagt, wenn sie Unterricht geben, brauche ich einen Tag um Zuhause weiter zu lernen und am nächsten Tag kann ich besser sein.  Alle wissen das. Ich gehe nach Hause, übersetze nochmal alles und lerne nochmal. Aber meine Noten sind nicht so, wie ich es mir wünsche. Ich habe meistens eine Drei, aber ich möchte eine Zwei wie mein deutscher Kollege. Seine Noten sind immer besser. Es gibt hier auch einen Jungen, er hilft mir immer. Er ist im zweiten Lehrjahr und seine Muttersprache ist Englisch. Er kommt jede Woche zwei oder drei Mal zu mir und wir lernen zusammen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Ich habe in Syrien gelebt, aber ich denke, jetzt habe ich ein neues Leben, einen neuen Anfang. In drei Jahren ist meine Ausbildung vorbei und ich möchte bei Feralpi arbeiten. Wenn meine Noten gut sind, mache ich später eine Weiterbildung.

"Es ist insgesamt gut für den Zusammenhalt der Gesellschaft, wenn man Berührungspunkte schafft. Das ist für mich gelebte Integration." (Kai Holzmüller)

Kai Holzmüller arbeitet als Personalleiter in der ESF Elbe-Stahlwerk Feralpi GmbH in Riesa. Er arbeitet mit den Arbeitsmarktmentor*innen der Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft gGmbH im Landkreis Meißen zusammen.

Bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor.

Ich heiße Kai Holzmüller und bin seit zwei Jahren hier im Unternehmen tätig. Feralpi Stahl ist die Marke. Wir sind ein Stahl- und Walzwerk sowie eine Drahtweiterverarbeitung mit 678 Mitarbeitern am Standort und ca. 40 Auszubildenden. Herr Ibsh ist als einer unserer Auszubildenden seit August 2018 in der ESF. Die genaue Bezeichnung des Ausbildungsberufs ist Verfahrenstechnologe mit der Richtung Stahlumformung. Unsere Hauptaufgabe vor Ort ist es Bewehrungsstahl aus Stahlschrott herzustellen. Zusammen mit unserem Mutterkonzern in Italien beliefern wir sowohl den deutschen Markt als auch die angrenzenden Staaten in Europa.

Wie kamen Sie zu dem Entschluss, Geflüchtete einzustellen?

Der Prozess des Kennenlernens läuft immer gleich ab, dass man sich im Rahmen eines Praktikums kennenlernt, dass derjenige sich im Team beweist: welche Einstellungen bringt er mit, wie ist er in der Lage, sich auch zu integrieren, wie kommt das Team mit ihm zurecht, passt es mit der Verständigung. All diese Dinge klären wir im Vorfeld.

Das Thema ist ja ganz natürlich gekommen. Irgendwann hatten wir auch die ersten Bewerbungen und grundsätzlich sind wir als Unternehmen für die Sache offen. Die bisherigen Erfahrungen sind sehr positiv. Ich denke, es ist wichtig, dass es auch Geflüchteten ermöglicht wird, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Das ist man ihnen schuldig. Es wäre nicht ok, sie im Sozialhilfebereich zu belassen. Es ist insgesamt gut für den Zusammenhalt der Gesellschaft, wenn man Berührungspunkte schafft. Das ist für mich gelebte Integration.

Wir sind sehr froh, dass wir Herrn Ibsh als Auszubildenden gewinnen konnten, weil wir mittlerweile gerade einmal die Hälfte unserer Ausbildungsplätze, die wir eigentlich haben, besetzen können. Ich kann sagen, es ist positiv, er zeigt Interesse, er versucht sich zu beweisen und macht die Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit. Das ist jetzt ein positives Beispiel. Es ist denkbar, dass wir auch noch weitere Geflüchtete ausbilden.

Der Bedarf an Arbeitskräften ist da, gerade im Bereich der Stahlumformung – Walzwerk haben wir bis kurz vor Torschluss überhaupt keinen Bewerber gehabt – bei vier offenen Ausbildungsstellen. Man muss auch dazu sagen, dass wir in einem Walzwerk ganz besondere Bedingungen haben in Bezug auf Hitze, Lärm und auch auf Schmutz. Wir versuchen zwar schon die Arbeitsplätze besser zu gestalten, aber dort, wo 1100 Grad heißer Stahl gewalzt wird, ist es eben warm. Das muss man wollen.

Wir freuen uns über das Interesse und wenn die Leute die richtige Einstellung mitbringen, dann ist das für uns eine Bereicherung. Es gehört natürlich ein gewisser Wille dazu in einem Vierschichtmodell, das auch die Arbeit am Wochenende mit einschließt, tätig zu sein. Dass dies jedoch zum Alltag des Facharbeiters gehört, kommunizieren wir bereits zum Ausbildungsbeginn.

Wie sieht die Unterstützung durch die Arbeitsmarktmentor*innen aus?

Ich arbeite gern mit den Arbeitsmarktmentoren zusammen, da ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann. Es ist wichtig, dass uns die richtigen Personen vermittelt werden, sodass die Firma mit einem neuen Mitarbeiter bereichert wird und möglichst wenig Schwierigkeiten auftreten. Ich weiß, dass die Arbeitsmarktmentoren hierbei eine gewissenhafte Auswahl treffen, wie auch das positive Beispiel von Herrn Ibsh zeigt. Er ist sehr fleißig und selbstständig und verfolgt dabei das Ziel, sich stetig zu verbessern. Mit dieser Unterstützung im Rücken können wir uns als Firma auch um andere Schwierigkeiten kümmern, wie beispielsweise im Prüfungsbereich. Wo wir uns aktiv dafür einsetzen, dass geflüchteten Auszubildenden, die noch mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen haben, unter anderem mehr Zeit für die Prüfungsbearbeitung eingeräumt wird.

Welche Tipps haben Sie für andere Arbeitgebende bei der Anstellung Geflüchteter?

Man sollte Verständnis zeigen, wenn einmal nicht sofort etwas verstanden wird und sich auch Mühe geben, den Leuten beizubringen, um was es geht. Ein bisschen mehr Geduld mitbringen, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Ich denke es steht und fällt damit, dass ein Geflüchteter in einem Team auf Leute trifft, die sich der Sache annehmen. Es ist die Grundvoraussetzung, dass da ein gewisses Interesse da ist und auch die Bereitschaft, denjenigen ein Stück weit zu unterstützen und die Frage, die mehr kommt, auch zu beantworten. Ich bin froh, dass Herr Ibsh so gut aufgenommen wurde.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Ich hoffe, wir können unsere Ausbildungsstellen wieder besser besetzen, um für die Zukunft des Unternehmens zu sorgen. Wir bilden aus, um zu übernehmen.