"Ich glaube Arbeit und Ausbildung sind die echte Integration, man lernt die Sprache und auch die Kultur." (Youssef Ahmad)

Yousef Ahmad macht eine Ausbildung zum Orthopädietechniker im Orthopädiehaus Reha Aktiv in Werdau-Langenhessen und wird begleitet durch die Arbeitsmarktmentor*innen der Euro-Schulen West-Sachsen GmbH im Landkreis Zwickau.

Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Mein Name ist Yousef Ahmad und ich bin 29 Jahre alt. Ich komme aus Syrien und bin seit vier Jahren in Deutschland. Im März 2018 habe ich hier in der Firma mit einer Einstiegsqualifizierung angefangen. Seit September 2018 mache ich eine Ausbildung zum Orthopädietechniker.

Wie haben Sie den Weg zu den Arbeitsmarktmentor*innen für Geflüchtete gefunden?

Ohne die Arbeitsmarktmentorin hätte ich fast keine Chance gehabt, etwas zu erreichen. Es ist alles kompliziert und teilweise schwer zu verstehen, wie alles in Deutschland funktioniert.

Vor zwei Jahren habe ich versucht Musik zu studieren. Meine Betreuerin im Jobcenter hat an mich geglaubt und mich unterstützt. Dann habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich nicht mehr Zeit verlieren möchte, sondern direkt in die Praxis gehen und eine Ausbildung machen möchte. Es war natürlich schwer Alternativen zu finden, etwas was mir auch gefällt und persönlich interessant ist.

Durch das Jobcenter bin ich zu den Arbeitsmarktmentoren gekommen. Wir haben viel Positives zusammen erreicht und viele Schwierigkeiten überwunden. Meine Arbeitsmarktmentorin hat mich sehr gut unterstützt, wir haben zusammen nach einem Ausbildungsberuf gesucht. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt einen Beruf Orthopädietechniker gibt und dass er so interessant ist. Es gibt noch viele Steine auf dem Weg und immer wieder neue Probleme mit Behörden, bei denen mir die Mentorin hilft.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Ich habe täglich verschiedene Aufgaben zu erledigen. Wir arbeiten häufig im Team und sind dabei immer mindestens zu zweit. Meistens unterstütze ich meine Kollegen bei ihren Arbeiten. Meine Arbeitskollegen sind sehr nett und hilfsbereit, wenn ich Fragen habe. Es ist für mich eine große Freude, jeden Tag auf Arbeit zu kommen. Zu meinen Aufgaben gehören das Schleifen, die Prothesen, Orthesen und Korsette vorbereiten, den Gips ausgießen, Glättungen nach dem Modellieren. Es ist nie langweilig, denn es gibt jeden Tag Neues zu lernen. Es ist ein großes Geschenk, hier zu arbeiten. Und Verbesserungen für die Patienten zu erreichen ist eine besondere Freude. Ich glaube Arbeit und Ausbildung sind die echte Integration, man lernt die Sprache und auch die Kultur.

In der Berufsschule ist es nicht einfach, am Anfang war es sehr schwer, weil alles neu war und sehr schnell ging. Ich muss viele neue Fachbegriffe und lateinische Begriffe lernen. Ich bin der einzige Flüchtling in der Klasse, aber die Mitschüler sind sehr nett.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

In den nächsten drei Jahren bin ich in der Ausbildung und bald werde ich hoffentlich hier der neue Geselle sein. Ich werde weiter lernen und arbeiten und mich in meinem Beruf weiterbilden.

"Für mich kommt es letztlich nicht darauf an, was jemand in seiner Freizeit tut oder woran er glaubt. Schwerpunkt sollte sein, dass jemand eine gute Arbeit abliefert und man einen guten Umgang miteinander pflegt. " (Matthias Backhaus)

Matthias Backhaus arbeitet als Teamleiter im Orthopädiehaus Reha- aktiv in Werdau Langenhessen und wird durch die Arbeitsmarktmentor*innen der Euro-Schulen West-Sachsen GmbH im Landkreis Zwickau unterstützt.

Bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor.

Ich heiße Matthias Backhaus und bin seit vier Jahren als Teamleiter für die Region Ost in dem Bereich Werdau Sanitätshaus Orthopädietechnik angestellt. Hier am Standort arbeiten zehn Mitarbeiter. Unser Hauptsitz befindet sich in Chemnitz, ostsachsenweit sind wir flächendeckend mit Filialen mit mittlerweile über 400 Mitarbeitern vertreten. Die Firma ist aus der GmbH Orthopädietechnik entstanden, die es bereits zu DDR- Zeiten gab. Die Firma ist ein Vollsortimenter mit Reha – Technik, Homecare, Medizintechnik, Kinder – Reha, Orthopädietechnik, Sanitätshaus, orthopädischen Schuhen, also alles, was auf dem Gesundheitsmarkt zu bekommen ist.

Wie kamen Sie zu dem Entschluss, jemanden mit Migrationshintergrund einzustellen?

Die Einstellung von Herrn Ahmad erfolgte sehr kurzfristig. Er hatte sich zunächst unsere Werkstatt in Zwickau angesehen und sich für den Bereich interessiert. Zu dieser Zeit war aber keine Arbeitsstelle frei. Dann hat mein Kollege schon etwas vorgebaut und mir Herrn Ahmad empfohlen. Es verging einige Zeit bis mich die Arbeitsmarktmentorin wieder angerufen hat, da die Bewerbung noch durch die Zentrale geprüft werden musste, und dann haben wir uns zu einem Gespräch zusammengesetzt. Es musste alles sehr schnell gehen, da am nächsten Tag bereits die Frist für eine Einstiegsqualifizierung abgelaufen wäre. Mir ist die Herkunft prinzipiell egal, der Mensch muss stimmen, er muss wollen und das war die Grundvoraussetzung. Das Team hat auch ein sehr familiäres Verhältnis und es wurde vorher im Team besprochen, ob sich alle vorstellen könnten, jemanden mit Migrationshintergrund einzustellen und zu integrieren und das hat gepasst.

Wie sieht der Arbeitsalltag aus?

Der Beruf als Orthopädietechniker ist sehr vielseitig. Wir arbeiten mit fast allen Materialien, die es gibt. Von Holz über Plastik, Leder, Gießharz, alles Mögliche. Und der Umgang mit den Materialien, der Umgang mit den Maschinen, Bearbeitung der Materialien, das muss ja auch erstmal gelernt werden und das findet meist im ersten Jahr der Ausbildung statt. Deswegen sind es anfangs eher Hilfsarbeiten und Zuarbeiten. Herr Ahmad arbeitet mit Kollegen zusammen an einem Stück, dann bekommt er die Arbeit zugewiesen noch ohne den Hintergrund, wofür diese Schritte gedacht sind. Aber er fragt immer „Warum mache ich das?“ oder „Wofür mache ich das?“, das freut mich persönlich immer, weil man dann die Dinge erklären kann und man merkt, dass Interesse da ist. In dem ersten Jahr beginnt auch die schulische Ausbildung im Block, wo Herr Ahmad dann auch mal drei oder vier Wochen in der Schule ist. Und nach dem ersten Jahr werden die Aufgaben selbstständiger, der Meister ist dann nur noch da, um einen Blick auf alles zu werfen. Die Ausbildung wird nicht langweilig, denn auch wenn sich Versorgungen ähneln, die Menschen sind alle unterschiedlich, für die wir arbeiten. Es ist auch ein psychologischer Aspekt mit zu betrachten, viele sind ja nicht krank, ihnen fehlt nur etwas, aber der eine kommt damit gut klar und der andere weniger. Da muss man die Menschen auch mental aufbauen. Manchmal haben die Ärzte auch wenig Zeit und stellen nur ein Rezept aus und wir müssen dann die Menschen erstmal aufklären, wofür sie ein Hilfsmittel benötigen. Auch bei den schulischen Inhalten sind die Kollegen sehr hilfsbereit.

Wie sieht die Unterstützung durch die Arbeitsmarktmentoren aus?

Mein Kontakt zu den Arbeitsmarktmentoren ist relativ gering, da sie die meisten Belange direkt mit Herrn Ahmad klären. Ansonsten sind wir bereits ein erfahrenes Team und wissen die meisten Schwierigkeiten selbst zu regeln. Trotzdem ist die Nachbetreuung durch die Arbeitsmarktmentoren wichtig. Sie unterstützen unsere Auszubildenden dabei, motiviert zu bleiben und ihren Weg weiter zu beschreiten.

Welche Tipps haben Sie für andere Arbeitgebende bei der Anstellung Geflüchteter?

Meiner Meinung nach sollte man im Vorfeld das persönliche Umfeld analysieren, um Unstimmigkeiten, etwa wegen religiöser Ansichten, bereits im Vorfeld auszuschließen. In diesem Zusammenhang finde ich es ebenso wichtig, offen gegenüber anderen Kulturen und Religionen zu sein. Es muss am Ende klar sein, auf was es ankommt. Für mich kommt es letztlich nicht darauf an, was jemand in seiner Freizeit tut oder woran er glaubt. Schwerpunkt sollte sein, dass jemand eine gute Arbeit abliefert und man einen guten Umgang miteinander pflegt.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

In dieser kurzlebigen Zeit ist es schwierig so weit voraus zu denken. Das beginnt bei den Techniken, es wird Berufe geben, die einfach wegfallen, weil es neue Techniken gibt. Auch bei uns wird es verschiedene Arbeiten geben, die sich komplett umstellen, das beginnt mit Drucksystemen zum Druck von Orthesen oder dass Carbontechnik die Plastiktechnik ablösen wird. Auch Reha- aktiv hat einen Zusammenschluss geplant, so dass ein bundesweiter Vertrieb möglich wird. Das ist in meinen Augen der richtige Weg, auch wenn er kompliziert ist. Wir werden auch in der Zukunft auf die Anstellung von Geflüchteten angewiesen sein aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation. Wir haben auch daraus einen kleinen Eigennutz, denn wir haben ja mit Herrn Ahmad auch einen Dolmetscher. Es sind einige Kunden, welche den Arzt nicht verstanden haben und dann auch uns nicht und da ist es sehr gut, wenn jemand da ist, der sich in der Landessprache unterhalten kann.