Ait Arezki arbeitet als Betreuer beim Deutschen Kinderschutzbund e.V. in Plauen und wird begleitet durch die Arbeitsmarktmentor*innen der Bildungsinstitut PSCHERER gGmbH im Vogtlandkreis.
Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Ich heiße Ait Arezki. Ich komme ursprünglich aus Algerien und lebe schon einige Zeit in Deutschland, schon lange.
Wie haben Sie den Weg zu den Arbeitsmarktmentor*innen für Geflüchtete gefunden?
Ich habe schon vorher mit der Arbeitsmarktmentorin zusammengearbeitet. Dann wurde mir aber die Arbeitserlaubnis entzogen und ich durfte nicht mehr arbeiten. Meine neue Arbeit habe ich auch von meiner Mentorin. Sie hat mir geholfen, Arbeit zu finden. Sie hilft mir auch heute noch mit der Ausländerbehörde und juristischen Fragen. Die Arbeitsmarktmentorin hilft mir nicht nur bei der Arbeit, sondern auch menschlich.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich betreue ein behindertes Kind aus Syrien. Er ist schon seit 2014 hier. Er hat ein bisschen Probleme mit Autismus und Trisomie. Ich betreue ihn den ganzen Tag. Ich gehe mit ihm um 8:00 Uhr in die Schule, dann bleibe ich da mit ihm. Ich muss aufpassen, wie er reagiert, er muss auch die Regeln in der Schule wissen und verfolgen. Und er hat auch Epilepsie-Anfälle. Wenn er einen bekommt, stehe ich bereit mit seinem Medikament. Im Notfall muss ich den Krankenwagen rufen. In der Schule versuche ich auch, ihm etwas beizubringen wie die Zahlen, das Alphabet, ein bisschen Deutsch. Wir machen 14:00 Uhr Feierabend, um 15:00 Uhr übergebe ich ihn an die Eltern. Dann endet eigentlich meine Arbeit. Aber manchmal helfe ich auch den Eltern. Zum Beispiel müssen sie den Transport anrufen, wenn er krank ist. Abends müssen sie melden, dass er am nächsten Tag nicht abgeholt zu werden braucht. Wegen dieser sprachlichen Probleme, sie sprechen kein Deutsch, rufe ich an. Manchmal gehe ich auch mit zum Arzt. Ich arbeite eigentlich als alles, auch als Sprachmittler. Es ist viel. Nicht nur in der Schule, auch draußen. Aber es macht Spaß.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
Ich habe keine Pläne, weil das nicht an mir liegt, sondern in den Händen der Ausländerbehörde. Wenn die Ausländerbehörde entscheidet, dass ich in Deutschland bleiben kann, dann fange ich vielleicht an zu träumen. Ich habe schon lange aufgehört zu träumen, weil ich von Tag zu Tag lebe. Ich bin heute hier, ich weiß nicht, was morgen ist, vielleicht werde ich abgeschoben. Das ist schwierig, da kannst du nicht planen und nichts machen. Es ist eigentlich nur Überleben und eigentlich brauche ich auch Hilfe. Eigentlich brauche ich auch einen Betreuer. Man kann sagen, dass die Arbeitsmarktmentorin auch meine Betreuerin ist.
Désirée Prezewowsky arbeitet in der Personalverwaltung im Deutschen Kinderschutzbund e.V. im Ortsverband Plauen. Sie wird begleitet durch die Arbeitsmarktmentor*innen der Bildungsinstitut PSCHERER gGmbH im Vogtlandkreis.
Bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor.
Mein Name ist Désirée Prezewowsky. Den Ortsverband Plauen des Deutschen Kinderschutzbundes gibt es seit über 25 Jahren. Wir sind ein Verein mit etwa 50 Mitarbeitern, verteilt auf mehrere Projekte. Das größte hauptamtliche Projekt ist die Schulassistenz, dort sind die meisten unserer Mitarbeiter tätig. Daneben haben wir eine heilpädagogische Tagesgruppe, die Familienpflege, Inklusionsassistenz und Schulsozialarbeit sowie das Kindercafé Mücke und das Kinder- und Jugendtelefon. Ich bin im Verein für die Personalverwaltung und für die Schulassistenz zuständig.
Wie kamen Sie zu dem Entschluss, Geflüchtete einzustellen?
Es gibt immer mehr Anfragen von Flüchtlingsfamilien mit Kindern, die eine Beeinträchtigung haben. Wenn es sprachliche Barrieren gibt und vielleicht Hintergrundwissen über manche Verhaltensweisen fehlt, gelangen wir oft an unsere Grenzen. Mir wurde dadurch erst bewusst, dass geflüchtete Kinder mit Beeinträchtigung in ihrer Heimat häufig nie eine Schule besucht haben. Ich kann heutzutage auf Leute wie Herrn Arezki nicht mehr verzichten. Ich schätze an ihm sehr, dass er wirklich an Integration interessiert ist. Er spricht nicht nur mit den Kindern Deutsch, sondern kann auch verhandlungssicher auf Deutsch kommunizieren. Für den gesamten Verein ist er eine große Bereicherung, seine Art ist einfach toll. Auch was seine Geschichte angeht, ist er sehr offen und erzählt davon mit einer gewissen sarkastischen Ironie.
Problematisch war sein Aufenthaltsstatus. Es hat ein Vierteljahr gedauert, dann hat er mit unserer Hilfe seine Gestattung erhalten. Wir haben da auch nochmal klar formuliert, dass wir ihn brauchen. Auch, dass es in Deutschland eine Schulpflicht gibt und dass das Kind zur Schule gehen muss. Für diese Tätigkeit gab es keinen anderen passenden Bewerber. Herr Arezki hatte keine Berührungsängste und war in diesem Bereich wirklich talentiert. Er ist ein sehr intelligenter und sozialer Mann. Egal, wie brenzlig die Situation ist, er bleibt immer die Geduld in Person. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass man jemanden abschieben möchte, der sich so integriert hat. Darüber war ich fassungslos. Wir haben deswegen viele Formulare ausgefüllt, häufig auch mehrmals, mit Hilfe der Arbeitsmarktmentorin.
Wie sieht der Arbeitsalltag aus?
Herr Arezki begleitet einen Jungen im Rahmen des Stundenplans. Der Arbeitstag beginnt vor der Haustür des Jungen. Von 8:00 Uhr bis 14:30 Uhr bestreitet er dann den Unterrichtstag mit seinem Schützling. Das heißt, er kümmert sich um alle Bedarfe des Jungen und die Umsetzung des Förderplanes. Er unterstützt die Lehrer und bemüht sich um die Integration in den Schultag, da der Junge noch nie eine Schule besucht hat. Er unterstützt ihn auch im pflegerischen Bereich und im Fall eines epileptischen Anfalls auch mit Notfallmedikamenten. Außerdem macht er die Kommunikation zwischen Schule und Eltern überhaupt erst möglich. Da liegt noch eine große Problematik vor, da die Eltern Analphabeten sind.
Wie sieht die Unterstützung durch die Arbeitsmarktmentor*innen aus?
Der Einstieg von Herrn Arezki war nervenaufreibend und sehr kompliziert. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich jemand Geeigneten gesucht habe. Wir wurden dann glücklicherweise auf die Arbeitsmarktmentoren aufmerksam gemacht. Die Arbeitsmarktmentorin war wirklich sehr engagiert, war für jede Frage da und hat auch den nötigten Kontakt hergestellt. In diesem unsicheren Bereich war das eine sehr herzliche Aufnahme und Unterstützung. Ich habe dann erfahren, dass Herr Arezki schon seit über 13 Jahren in Deutschland ist. Die Geschichte dahinter hat mich sehr beschäftigt, wie man das so aushält über die Jahre gedanklich von heute auf morgen zu leben. Danach haben wir verschiedene Schreiben aufgesetzt, um ihm die Arbeit bei uns zu ermöglichen. Heute läuft das Ganze eher reibungslos. Wenn ich mir bei Sachen unsicher bin, kann ich jederzeit auf die Hilfe der Mentoren zurückkommen. Ich empfinde eine sehr große Dankbarkeit meiner Arbeitsmarktmentorin gegenüber. Und es ist eine aufrichtige Kommunikation, die man da führt, das ist sehr schön.
Welche Tipps haben Sie für andere Arbeitgebende bei der Anstellung Geflüchteter?
Auf jeden Fall sollte man eigene Fragen aus dem Weg schaffen und Unsicherheiten, auch wenn man etwas nicht weiß, sofort ansprechen. Da sind die Arbeitsmarktmentoren wirklich der perfekte Ansprechpartner. Es ist einfach sehr schön, auch zuzuhören, auch mal einfach nur als menschliche Bereicherung. Es ist eine Seltenheit, einem so integrierten, offenen Menschen zu begegnen.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?
Wahrscheinlich wird Herr Arezki mehr Kinder in der Betreuung haben als andere Einzelfallhelfer. Ich glaube, er könnte sicher auch mit erziehungsauffälligen Geflüchteten arbeiten. Ich wünsche mir, dass irgendwann die Möglichkeit besteht, dass er eine Qualifizierung macht, damit seine Tätigkeit auch finanziell anerkannt wird. Er hat ein ganz großes Talent in diesem Bereich zu arbeiten und ich sehe ihn als langfristig bereichernden Mitarbeiter bei uns. Er wird nicht nur in diesem Projekt, sondern zukunftsbetrachtend in allen Projekten gebraucht.