"Mit Sonntagsreden ist es nicht getan. Wir brauchen ganz praktische Hilfe. Von Sprachkursen bis zur Unterstützung der Arbeitsmarktmentoren." (Dr. Elinor Mader)

Dr. Elinor Mader arbeitet als Zahnärztin in ihrer eigenen Praxis in Leipzig und wird begleitet durch die Arbeitsmarktmentor*innen des Caritasverbandes Leipzig e.V. im Landkreis Leipzig.

Bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor.

Ich betreibe seit 25 Jahren diese Zahnarztpraxis mit einer weiteren Zahnärztin, acht angestellten Mitarbeitern und drei Auszubildenden.

Wie kamen Sie zu dem Entschluss, Geflüchtete einzustellen?

Die derzeitige demografische Situation ist in Deutschland so gekennzeichnet, dass Deutschland laut Experten weiterhin auf Zuwanderung in den Arbeitsmarkt angewiesen sein wird. Prinzipiell bilden wir jedes Jahr aus. Das ist mir ein Anliegen, qualifiziertes Personal auch langfristig in unserer Praxis einzubinden. Nicht wenige von meinen ehemaligen Auszubildenden waren und sind heute bei uns beschäftigt. Die Arbeit einer Zahnmedizinischen Fachangestellten ist überaus vielfältig und differenziert. Hier bedarf es kluger Köpfe und Empathie. Wir versorgen Menschen aller Altersgruppen. Dafür ist nicht jede*r geeignet. Geeignete Bewerber zu finden gestaltete sich in den letzten Jahren durchaus schwierig. Die Arbeitsmarktmentoren von der Caritas haben uns als Praxis angefragt, ob wir auch Geflüchteten die Möglichkeit einer Ausbildung bzw. Beschäftigung anbieten würden. In diesem Fall sogar jemand, der eine berufliche Qualifikation mitbringt. Das war ein tolles Angebot, trotz zahlreicher Hindernisse.

Wie verlief der Einstieg der/des Geflüchtete/n in Ihr Unternehmen? Lief alles glatt oder gab es auch Hürden?

Frau K. hatte echtes Interesse und bringt auch eine Grundgeschicklichkeit für diese Tätigkeit mit. Die Deutschkenntnisse waren und sind nach wie vor die größte Hürde. Alle unsere Mitarbeiter haben sich unendlich bemüht, einen Einstieg in den Praxisalltag zu erleichtern. Ohne diesen guten Willen und ihre Hilfe wäre es kaum zu schaffen gewesen. Das ist aber „nur“ der praktische Teil. Wenn die Arbeitsmarktmentoren der Caritas nicht jederzeit, und ich meine Jederzeit!, auf meine Fragen und Fragen von Seiten der Arbeitsagentur geantwortet hätten, wäre es nicht zu diesem Ausbildungsvertrag gekommen. Das muss man ganz deutlich sagen.

Wie sieht der Arbeitsalltag aus?

Genauso, wie mit jeden anderen Auszubildenden. Da sind wir Profis! Insbesondere eine unserer Mitarbeiterinnen ist speziell für die Auszubildende zuständig. Beantwortet Fragen, die die Berufsschule betreffen, kontrolliert Hausaufgaben und bereitet sie auf Prüfungen vor. Hier ist natürlich der Aufwand um ein Vielfaches erhöht, da die Sprachkompetenz unerlässlich zur Verständigung und für die Verlässlichkeit der übertragenen Aufgaben ist. Aber auch das Mitmenschliche muss stimmen. Es gibt auch hier keinen Geflüchteten-Bonus. Meinen Erfahrungen nach handelt aber jeder so wie immer im normalen Leben bei Kontakt zu neuen Menschen: Verlässlichkeit und Sympathie, aber auch die abnehmende Angst vor dem Unbekannten und das Erkennen, dass ein Integrationswille existiert, sind die Grundpfeiler der Zusammenarbeit.

Wie sieht die Unterstützung durch die Arbeitsmarktmentor*innen aus?

Sie sind für mich jederzeit ansprechbar. Und auch nur mit dieser Erfahrung und diesem Hintergrund halte ich eine berufliche und zwischenmenschliche Integration überhaupt für machbar. Ohne die Beteiligung der Arbeitsmarktmentoren – in diesem Fall – wären wir an bürokratischen Hürden und in der Unkenntnis von gesetzlichen Grundlagen gescheitert. Da bin ich leider ganz sicher. Auch unsere Standesvertreter in Dresden haben außer einem guten Willen keine Hilfe angeboten oder in irgendeiner Weise die Einbindung von Geflüchteten begleitet. Ich als Praxisinhaber bin da völlig alleingelassen.

Welche Tipps haben Sie für andere Arbeitgebende bei der Anstellung Geflüchteter?

Traut euch! Es ist eine Herausforderung mit der wir uns auch sicher hier schwerer tun, in den ehemals ostdeutschen Ländern ohne die Geschichte der frühen Arbeitsmarktzuwanderung. Und wir müssen die Politik auffordern, uns dabei zur Seite zu stehen. Mit Sonntagsreden ist es nicht getan. Wir brauchen ganz praktische Hilfe. Von Sprachkursen bis zur Unterstützung der Arbeitsmarktmentoren. Es ist natürlich ein Irrglaube, dass uns durch Geflüchtete etwas weggenommen wird. Auch ohne Zuwanderung gäbe es nicht mehr Wohnungen, sanierte Schulen oder Straßen. Das sind politische Entscheidungen. Wir dürfen uns nicht in unseren Möglichkeiten selbst begrenzen, die uns die Demokratie bietet. Wir können wählen. Und auch die Geflüchteten haben die Chance und auch die Pflicht, ihren Teil zur Integration beizutragen. Das fängt vor allem mit der Sprache an. Sonst kann es nicht gelingen.

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?

Geflüchtete werden ein ganz normaler Teil unserer Arbeitswelt werden.